Gewächshäuser - Haus O
Ein Mangroven-Bestand im Mittelbeet des Hauses zeigt schon sehr naturnah die für Rhizophora mangle charakteristische Bildung von Stelzwurzeln. Als Mangroven werden sowohl die Sumpfwälder der Gezeitenzone tropischer Küsten und Flußmündungen mit Brackwasser als auch die dort vorkommenden Baumarten bezeichnet. Der am weitesten verbreitete Mangrovenbaum ist Rhizophora mangle (Rhizophoraceae), der unter Kulturbedingungen übrigens ohne Brackwasser auskommt. Neue Stelzwurzeln ragen aus dem Kronenbereich schon über den Weg und lassen erahnen, welches Dickicht von Wurzeln die Mangrovenbäume in der von der Flut bedeckten Schlickzone in der Natur verankert. Eine andere Mangrovenart, Bruguiera sexangula aus Südostasien kommt hier regelmäßig zur Blüte und zeigt manchmal sogar die für viele Mangroven charakteristische Viviparie, d. h. das Auskeimen des Keimlings in der Frucht. Auch ein Farn (Acrostichum aureum) ist für die Randbereiche der Mangrovenzone typisch und bildet in der Natur dichte Bestände.
Auf den Wasserflächen der Sumpfbecken schwimmen verschiedene Wasserpflanzen, z. B. der Wassersalat (Pistia stratiotes, Familie Aronstabgewächse), eine pantropische Wasserpflanze mit freischwimmenden Blattrosetten. Die aus dem tropischen Amerika stammende Wasserhyazinthe (Eichhornia crassipes) bildet ebenfalls frei schwimmende Teppiche und ist nach ihrer Einbürgerung in anderen Regionen der Erde zum Problem geworden, weil sie bei Massenauftreten auf Kanälen den Bootsverkehr behindert. Zu den Farnpflanzen gehören die ebenfalls freischwimmenden Pflanzen der Gattungen Salvinia und Azolla.
Stattliche Sumpfpflanzen sind die großblättrigen Aronstabgewächse Typhonodorum lindleyanum aus Madagaskar und Montrichardia linifera aus Südamerika, bachbegleitend das Palmenschilf (Prionium serratum) aus der Familie der Binsengewächse. Der echte Papyrus (Cyperus papyrus) wurde im vorderen Orient schon im Altertum zur Herstellung von Papier verwendet.
Schlingpflanzen wuchern im Sommerhalbjahr bis unter das Glasdach. Zu den Kürbisgewächsen gehören die Balsambirne (Momordica charantia) mit unscheinbaren Blüten, aber warzigen, innen leuchtend orangeroten Früchten und die Schlangenhaargurke (Trichosanthes cucumerina). Regelmäßig werden hier Exemplare der echten Mimose oder Sinnpflanze (Mimosa pudica) ausgestellt. Bei leichter Berührung falten sie schon ihre grazilen Blattfiedern zusammen, bei starker Erschütterung werden sogar die ganzen Blattspreiten und die Blattstiele hinuntergeklappt. Ihre für Pflanzen schnelle Erregungsleitung und Bewegungsfähigkeit ist eines der Schulbeispiele für nicht wachstumsbedingte Bewegung im Pflanzenreich.
Einer der Hauptanziehungspunkte des Gartens ist im Sommerhalbjahr das Victoriahaus mit den Riesenseerosen der Gattung Victoria und weiteren Seerosengewächsen wie Nymphaea gigantea, einer großen, blaublütigen Seerose aus Australien und Neuguinea sowie der wehrhaften Euryale ferox aus dem tropisch-subtropischen Ostasien. Ein Warmhaus mit einem Wasserbecken mit ein oder zwei Exemplaren der berühmten, nach der Königin Victoria von England benannten Amazonas-Riesenseerosen gehört zum Stolz jedes größeren Botanischen Gartens. Soweit Samen beider Arten selbst geerntet werden können oder von anderen Gärten zu bekommen sind, werden beide Arten im Sommerhalbjahr hier gezeigt: Victoria amazonica vom Amazonas und Orinoco und Victoria cruziana vom Parana-Flußgebiet. Sie werden jedes Jahr im Februar/März neu aus Samen herangezogen. Etwa fünf Monate dauert die Entwicklung vom Samenkorn bis zur ausgewachsenen Pflanze mit den kuchenblechförmigen, auf der Unterseite gerippten und bestachelten Schwimmblättern, die bei uns bis zwei Meter Durchmesser erreichen. Die großen Blüten erscheinen regelmäßig bis in den Herbst hinein. Ein Videofilm über die Entwicklung der Dahlemer Victoria ist im Schaumuseum zu sehen.
An der Brücke über das Victoriabecken, von der aus man gut die rosettenartige Blattstellung bei Victoria und die Größe der Blätter beobachten kann, stehen ferner beiderseits Pflanzen der Gattung Nelumbo. Die rosa bis weißblühende Indische Lotosblume (Nelumbo nucifera) ist altweltlicher Herkunft, während ihre gelbblühende Schwesterart (neuerdings auch als Unterart eingestuft), die Amerikanische Lotosblume (Nelumbo lutea) aus Nord- und Mittelamerika stammt. Verholzte Lianen wie Thunbergia laurifolia (Acanthaceae), die gelbblühende Allamanda cathartica (Apocynaceae) und das Windengewächs Argyreia nervosa mit unterseits schön silber-seidigen Blättern ranken unter dem Gewächshausdach. Im Sommerhalbjahr ist hier die großblütige, aber äußerst übelriechende Aristolochia grandiflora zu finden, welche Fliegen im Dienste der Bestäubung für eine Weile festhält. Rund um das Victoriabecken werden in Hängekörben auch Kannenpflanzen (Nepenthes) gezeigt. Sie fangen die Insekten nicht nur, sondern verdauen sie auch in den mit einem Deckel als Regenschutz versehenen Kesselfallen.
Die Wasserpflanzenbecken (Aquarien) in den beiden Gängen und im Brunnensaal des Eingangsbereichs unter dem Victoriahaus fallen dem Besucher schon beim Betreten der Gewächshausanlagen auf und ergänzen das Sumpf- und Wasserpflanzenhaus, in dem untergetauchte Pflanzen weniger gut darstellbar sind als in Aquarien. Die Zierfische in diesen Aquarien beleben zwar das Bild und helfen zum Teil bei der Sauberhaltung der Glasscheiben, doch gilt das Augenmerk bei der Gestaltung ganz den Pflanzenarten, unter denen besonders Vertreter der typischen Wasserpflanzen-Familien Hydrocharitaceae (Gattung Vallisneria) und Alismataceae (Gattung Echinodorus) zahlreich vorhanden sind. Von Familien und Gattungen mit Land- und Wasserpflanzen sind untergetauchte Araceen (Cryptocoryne) und Amaryllidaceen (Crinum) vertreten. An die fein zerteilten Blätter des Tausendblatts (Myriophyllum) erinnern Doppelgänger aus anderen Familien mit feinzerteilten Unterwasserblättern wie Limnophila und Hydrotriche (Scrophulariaceae). Weitere untergetaucht wachsende Pflanzen anderer Familien (z.B. Acanthaceae, Aponogetonaceae, Lythraceae) sind hier ebenfalls vertreten.
B. Leuenberger