Die Mistel
Die Misteln, deren rund 6070 Arten auf Bäumen wachsen, gehören zu den Halbschmarotzern (Hemiparasiten). Das sind Pflanzen, die anorganische Nährstoffe und Wasser aus ihrer Wirtspflanze beziehen, aber Blattgrün besitzen und selber assimilieren. Sie sind zumeist in den Tropen verbreitet. Die bei uns vorkommende Art ist häufig auf Linden, Pappeln, Weiden, Ahorn und Apfelbäumen anzutreffen; auf Tannen und Kiefern gedeihen besondere Unterarten.
Die Mistel ist ein immergrüner Strauch, der, wenn er in Massen auftritt, die Wirtspflanze zum Absterben bringt. Misteln erreichen einen Durchmesser von einem Meter, und sehen besonders im Winter in den Bäumen aus wie große Vogelnester. Die Blätter sind gegenständig, eilänglich, lederartig; die Blüten gelblich, zweihäusig, unscheinbar.
Die für den Menschen giftige Frucht ist eine weiße, durchscheinende, erbsengroße Beere mit klebrigem Samen. Die Verbreitung erfolgt durch Vögel, vor allem durch die Misteldrossel und andere Drosselarten, die die unverdauten Samen der Früchte auf den Baumästen hinterlassen. Wenn der Same keimt, entwickelt er zuerst eine Senkwurzel (Haustorie), die durch die Rinde des Astes dringt. Dieser Senkwurzel entwachsen im nächsten Jahr parallel zur Achse des Astes blattgrünhaltige Rindenwurzeln, die wiederum Senkwurzeln bilden, welche bis ins Holz vordringen.
Die Fruchtzweige dienen besonders in England und Frankreich als Weihnachtsschmuck. Unsere Vorfahren sahen in der Mistel ein Symbol für den Sieg des Lebens über den Tod, wenn im Winter jedes Pflanzenleben wie erloschen scheint, und das immergrüne Blattwerk der Mistel sich von den entlaubten Bäumen abhebt.
In England und Frankreich gehören Mistelsträuße zum Weihnachtsfest wie bei uns der Tannenbaum. Dort hängt man sie als Glücksbringer in die Wohnung oder über Türen. Die englische Sitte, jedes Mädchen unter dem Mistelzweig küssen zu dürfen, geht vermutlich auf skandinavische Hochzeitsriten zurück, denn die Mistel (Viscum album) hatte auch im germanischen Raum kultische Bedeutung. Das Gewächs, das nicht im Erdreich wurzelt und mitten im Winter Früchte trägt, faszinierte die Menschen schon immer. Die Kelten verehrten die Mistel als heilige Pflanze, weil sie glaubten, dass sie vom Himmel gefallen sei. Den Schnitt zelebrierten sie als religiöse Zeremonie. Weiß gekleidete Druiden schnitten mit goldenen Sicheln die Misteln, die in weißen Tüchern aufgefangen wurden. Den Boden durften die Pflanzen nicht berühren, sonst waren sie entweiht. Nach dem Laubfall fallen die Misteln in den kahlen Baumkronen im Freiland besonders auf.Medizinische Anwendungen der Mistel sind bereits seit dem Mittelalter belegt. Man setzte sie unter anderem zur Heilung der Epilepsie ein. Eine Wirkung in diesem Zusammenhang wurde ihr aufgrund der Signaturenlehre zugeschrieben; da die Mistel in den Baumen wächst und nicht herunterfällt, musste sie folglich gegen Epilepsi helfen, bei der der Erkrankte eben hinfällt, weshalb die Epilepsi früher auch als Fallsucht bezeichnet wurde. Darüber hinaus wurde die Mistel auch bei verschiedenen anderen Störungen und Leiden in unterschiedlichen Formen verabreicht, so fand sie Anwendung bei Herzschwäche und Arteriosklerose, Verdauungs- und Stoffwechselstörungen, Frauen- und Geburtsbeschwerden . Tatsächlich senken und regulieren Mistelprodukte den Blutdruck und können das Immunsystem stärken. Vor allem aber kommen Präparate heute aufgrund ihrer hemmenden Wirkung auf die Zellteilung, zur Unterstützung bei der Krebstherapie, zum Einsatz.Die Mistel ist ein immergrüner Halbschmarotzer, der seiner Wirtspflanze mit wurzelähnlichen Organen Wasser und Nährstoffe entzieht. Die zum Wachstum notwendige Energie gewinnt sie jedoch mithilfe des eigenen Chlorophylls. Die Gattung Viscum ist mit ca. 100 Arten in den Tropen und Subtropen der alten Welt verbreitet. Bei der einzigen in Mitteleuropa vorkommenden Art (Viscum album) unterscheidet man nach den Wirtspflanzen 3 verschiedene Unterarten: die Tannenmistel (V. album subsp. abietis), die Kiefernmistel (V. album subsp. austriacum) und die Laubholzmistel (V. album subsp. album).Misteln sitzen auf kurzen, dicken Stämmen und wachsen unabhängig vom Sonnenlicht nach allen Richtungen gleich stark. Sie erreichen dabei einen Durchmesser von 1 m. Ihr kugeliges Aussehen erinnert an große Vogelnester. Sie können bis zu 70 Jahre alt werden.An den grünbraunen, regelmäßig gegliederten Zweigen, die nach dem Trocknen an den Knoten leicht brechen, sitzen 3 bis 4 gegenständige Paare, zungenförmiger, gelbgrüner, kahler und ledriger Blätter. Die Misteln sind zweihäusig, d.h. es gibt Pflanzen mit nur weiblichen und andere mit nur männlichen Blüten. Diese sind, unabhängig vom Geschlecht, unscheinbar und locken durch ihren Duft und den Saft ihrer Honigdrüsen die bestäubenden Insekten an.An den weiblichen Pflanzen reifen gegen Jahresende die einsamigen, erbsengroßen Beerenfrüchte. Mit ihrem mattweißen, glasigen Aussehen ähneln sie Perlen. In ihnen liegen die von klebrigem Fruchtfleisch umgebenen Samen. Er wird durch Vögel ausgebreitet, die die Beeren aufpicken und die unverdauten Samen mit ihrem Kot ausscheiden. Durch das klebrige Fruchtfleisch bleiben Samen aber auch leicht im Gefieder oder in der Nähe des Schnabels haften. Beim Säubern des Gefieders und Schnabels durch Abstreifen an Ästen werden die Samen dort abgeladen und keimen so direkt auf einer möglichen neuen Wirtspflanze aus.Die auskeimenden Samen bilden zunächst eine Haftscheibe, dann durchdringt ein zapfenartiger sogenannten Senker die Rinde des Wirtsbaumes bis ins Holz. Erst danach entsteht das erste Blattpaar. Die Mistel lässt sich Zeit: Bis zur ersten Blüte vergehen mehrere Jahre. Blätter, Zweige und Samen sind giftig: sie enthalten ein Gemisch aus 11 Viskotoxinen, sowie Alkaloide und Lektin. Misteln tragende Äste verkümmern allmählich und verlieren ihr Laub. Durch die Zerstörung von Nutzholz kann der Schmarotzer erhebliche Schäden verursachen und wird örtlich regelmäßig mitsamt den Tragästen herausgeschnitten.